Fachtag zur Ge-Na -Studie: Glaube.Klima.Hoffnung

Der christliche Glaube beeinflusst das Engagement für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Das zeigten die Studienergebnisse der sogenannten Ge-Na-Studie, die am Samstag, 20.04.24, auf einem Fachtag präsentiert wurden. Daneben förderte die Studie einige weitere überraschende Erkenntnisse zutage.

Kassel. Auf dem Fachtag „Glaube.Klima.Hoffnung.“ am 20.04.24 im Haus der Kirche wurden die Ergebnisse der Ge-Na -Studie, einer wissenschaftlichen Untersuchung, ob und inwiefern der christliche Glaube eine Rolle beim Handeln bezüglich sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit spielt, einem breiteren Publikum präsentiert und diskutiert. Rund achtzig Teilnehmende waren zu dem Fachtag, der von der Evangelischen Bank als Exklusivpartner unterstützt wurde, erschienen. Weitere Kooperationspartner waren neben der Evangelischen Bank die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Evangelische Akademie Hofgeismar, die Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen (VRK-Akademie), Brot für die Welt, die Deutsche Evangelische Allianz, der CVJM Deutschland, Micha Deutschland sowie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).

Die beiden Leitenden der Forschung, Prof. Dr. Tobias Faix (Rektor der CVJM-Hochschule) und Anna-Lena Moselewski (wissenschaftliche Mitarbeiterin an der CVJM-Hochschule) stellten die Studien-Methode und die Ergebnisse vor. Nadja Ahmad, Studienleiterin für Nachhaltigkeit und Politische Ökologie an der Evangelischen Akademie Hofgeismar führte durch das Programm des Tages.

Dass die Ergebnisse nicht nur für die einzelnen Betroffenen, sondern vor allem für die Kirchen und Gemeinden in Deutschland wichtige Erkenntnisse bereithalten, freute die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Beate Hofmann, die in einem Eingangsvotum daran erinnerte, dass die Kirchen einst als Avantgarde für Frieden, Gerechtigkeit und Umweltschutz aktiv waren.

Was denken Christ:innen über soziale Gerechtigkeit?

Abwechselnd trugen Prof. Dr. Tobias Faix und Anna-Lene Moselewski die Ergebnisse der Ge-Na-Studie erstmalig vor deutschem Publikum vor. Sie zeigten, dass sie in ihren Befragungen vor allem die hochreligiösen (mit 73,5%) und religiösen (26,5%) Christ:innen erreicht hatten, die sich primär in einer der Evangelischen Landeskirchen oder in einer der Freikirchen zuhause fühlen.

91,1% der erreichten Hochreligiösen und Religiösen gaben an, dass ihnen soziale Gerechtigkeit wichtig sei, jedoch sagten lediglich 83,0%, dass sich ihre Einstellung auch in ihrem Verhalten widerspiegele. Genau hier zeigt sich der Knowledge-Action-Gap, wie Anna-Lena Moselewski erklärte. Denn diese Themen spielen vorwiegend im privaten Kontext eine Rolle. Immerhin 73,2% der Befragten haben schon einmal mit ihrer Familie oder Freunden über soziale Gerechtigkeit gesprochen, 76,2% haben aufgrund dessen auf den Kauf bestimmter Produkte verzichtet, aber nur 12% haben sich in den sozialen Medien dazu positioniert (12,4%) oder haben an einer Demonstration dazu teilgenommen (12,5%).  

Wie denken Christ:innen über ökologische Nachhaltigkeit?

In der Umfrage stimmten 79,6% eher oder voll und ganz zu, dass sie eine tiefe Verbundenheit mit der Natur spüren. Ein Großteil hat eine positive Grundeinstellung gegenüber der Natur und stimmte für den Schutz der Natur gegenüber ihrer Nutzung. Immerhin 64,0% zeigten sich überzeugt, dass Nachhaltigkeit im christlichen Glauben eine zentralere Rolle einnehmen sollte; doch auch hier zeigte sich, dass die Überzeugungen nur sehr wenig in aktives, gesellschaftliches Engagement münden.

Theologische Einordnung von Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit

Die größte Überraschung hielt die Studie im Bereich der theologischen Verortung bereit: Ein Großteil der Befragten sieht einen theologischen Anspruch an dieses Thema und stimmte zu, dass dies ein Kernanliegen der christlichen Botschaft sei und Kirche sich deshalb auch stärker dafür einsetzen sollte. „Wenn man die Menschen jedoch in einen Vergleich zwingt und sie fragt, was wirklich zentral für ihren Glauben ist, ist der diakonische Wert, also menschlicher Not durch liebevollen Dienst zu begegnen, am höchsten“, erläuterte Prof. Dr. Tobias Faix. Unter den Hochreligiösen fand dagegen die Evangeliumsverkündigung den meisten Zuspruch. „Je religiöser und auch je freikirchlicher die Befragten waren, desto mehr Zustimmung fand die Aussage, dass soziale Gerechtigkeit zwar ein wichtiger Auftrag an Christinnen und Christen ist, sie aber die Verkündigung des Evangeliums für wichtiger erachten. Immerhin 37,8% stimmten dem eher oder voll und ganz zu.“ Aus dem Einsatz für das Evangelium folgt dann für viele der Einsatz für Nachhaltigkeit.

Die Annahme, dass das Bibelverständnis und die unterschiedlichen Bibelauslegungen Auswirkungen auf das eigene sozial-gerechte oder nachhaltige Verhalten haben, konnte widerlegt werden. Ein Großteil der Befragten gab an, dass die Bibel für den Glauben eine wichtige Quelle ist – unabhängig davon, wie hoch das Engagement im Bereich Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit tatsächlich ist.

Im Bereich der Schöpfungsspiritualität konnte das Forscherteam alle vorausgegangenen Hypothesen bestätigen. „Je wichtiger Christinnen und Christen Schöpfungsspiritualität ist, desto nachhaltiger verhalten sie sich auch“, fasste Anna-Lena Moselewski die wohl wichtigste Hypothese dieses Themenfelds zusammen. „Diejenigen, die sich stärker für Schöpfungsspiritualität einsetzen, sind in diesen Bereichen auch gesellschaftlich aktiver. Die Schöpfungsspiritualität dient sozusagen als Brücke für den sozial-ökologischen Wandel.“

Kommentar und Einordnung der Studienergebnisse

In einer Response ordnete Dr. Matthias Stracke-Bartholmai, Bildungsreferent für Kirche und Jugend bei der Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen (VRK) die vorgestellten Studienergebnisse noch einmal ein. Dabei wurde deutlich, dass die Studie Theologie und Gemeindepraxis herausfordert. So plädierte er dafür, noch stärker die Verbindung von Evangelisation, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit zu thematisieren: „Die Klimakrise wird die Lebensbedingungen von Menschen, Pflanzen und Tieren verschlechtern und soziale Ungerechtigkeit sowie Armut weltweit verschärfen.“ Vor diesem Hintergrund rief der Theologe dazu auf, neu zu fragen, was es bedeutet, der ganzen Schöpfung den Anbruch des Reichs Gottes zu bezeugen.

Vertiefende Diskussionen in Kleingruppen

Fünf unterschiedliche Workshops dienten der Zuspitzung und Vertiefung der Ergebnisse: „Glaube. Klima. Globales Lernen: Ge-Na und Jugendarbeit“ (Carsten Korinth, Referent für Jugendpolitik und Grundsatzfragen im CVJM Deutschland), „Kirche der Zukunft“ (Anna Böck, ehem. Pfarrerin, Lektorin, Fresh X-Vorstandsmitglied und Klimaaktivistin und Prof. Dr. Tobias Faix), „Glaube, Ge-Na und die SDGs (Matthieu Dobler Paganoni, Geschäftsführer von Interaction), Schöpfungsspiritualität (Anna-Lena Moselewski) und „Ge-Na und die 6. KMU (Dr. Edgar Wunder, wissenschaftlicher Referent am Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD).

Einsatz für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit ist nicht nur eine individuelle Aufgabe

Zum Abschluss des Fachtags fand eine angeregte Paneldiskussion unter der Beteiligung von Anna-Lena Moselewski, dem Soziologen Prof. Dr. Tobias Künkler (Institutsleiter empirica), der Kirchenpionierin aus dem Erzbistum Hamburg, Kristina Büchle, Leonard Remme (Referent CSR & Sustainable Finance bei der Evangelischen Bank, die als Exklusivpartner an der Veranstaltung mitgewirkt haben) sowie dem ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten und jetzigen Leiters der Deutschen Evangelischen Allianz (die auch als Partner des Fachtags in Erscheinung traten), Frank Heinrich. Nach der Beschäftigung mit dem Glauben und dem Klima, gab es abschließend noch Raum für Hoffnung. Kristina Büchle fasste zusammen: „Aus der Studie kann ich ganz viel Liebe rauslesen, mit viel Hoffnung und Gutes für die Welt.“ Und auch Prof. Dr. Tobias Künkler zeigte sich hoffnungsfroh: „Die Studie hat gezeigt, dass die gesellschaftlichen Polarisierungen nicht so groß sind, wie angenommen. Es ist eher eine kleine laute Minderheit, die wahrgenommen wird, aber keine Spaltung der Mitte. Und das macht mir am meisten Hoffnung.“

 

Die komplette Studie sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse können auf der Website glaubeklimahoffnung.net eingesehen und heruntergeladen werden. Dort finden sich auch ein ausführlicher Bericht des Fachtags, umfangreiche Informationen, weiterführende Materialien sowie Bilder.

 


Die 2009 gegründete, staatlich und kirchlich anerkannte CVJM-Hochschule – YMCA University of Applied Sciences – führt in Präsenz- sowie in berufsbegleitenden und onlinebasierten Teilzeit-Studiengängen in den Bereichen Theologie und Soziale Arbeit zum Bachelor of Arts und Master of Arts. Außerdem bildet die CVJM-Hochschule Erzieher*innen und Jugendreferent*innen aus. Verschiedene Weiterbildungen ergänzen das Angebot. Die CVJM-Hochschule betreibt zusätzlich vier Forschungsinstitute (Institut für Erlebnispädagogik, Institut für Missionarische Jugendarbeit, Institut empirica für Jugendkultur und Religion sowie das Evangelische Bank Institut für Ethisches Management). Zum Wintersemester 2023/2024 sind 474 Studierende immatrikuliert. Rektor der CVJM-Hochschule ist Prof. Dr. Tobias Faix. Die Studierenden leben in einer Lern- und Lebensgemeinschaft auf dem bzw. in der Nähe des Campus.

Träger der CVJM-Hochschule ist der deutschlandweite Dachverband der Christlichen Vereine Junger Menschen (CVJM/YMCA), der CVJM Deutschland. Der CVJM/YMCA ist weltweit die größte überkonfessionelle christliche Jugendorganisation, die insgesamt 40 Millionen Menschen direkt erreicht, und weitere 25 Millionen Menschen indirekt. In Deutschland hat der CVJM 310.000 Mitglieder und regelmäßige Teilnehmende. Darüber hinaus erreicht er in seinen Programmen, Aktionen und Freizeiten jedes Jahr fast eine Million junge Menschen. Schwerpunkt des CVJM in Deutschland ist die örtliche Jugendarbeit in 1.400 Vereinen, Jugendwerken und Jugenddörfern.

Ehrenamtlicher Vorsitzender des CVJM Deutschland ist Präses Steffen Waldminghaus. Hauptamtlicher Leiter ist Generalsekretär Pfarrer Hansjörg Kopp.

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