Seit 1920 gab es im CVJM-Kontext die Möglichkeit, sich ausbilden zu lassen. Erst am Johanneum in Wuppertal, seit 1928 an der neu gegründete Sekretärsschule in Kassel. Die CVJM-Sekretäre waren die Vorläufer der heutigen Referenten – damals ausschließlich Männer. Es folgten einige erfolgreiche Jahre, bevor zunächst der 2. Weltkrieg und im Anschluss das Leben und Lernen in einer Notunterkunft im Schwalm-Eder-Kreis Dozierenden wie Studierenden einiges abverlangten.
1957 wurde ein Erweiterungsbau auf dem Gelände im Druseltal 8 begonnen, sodass 1958 die Schüler ihre Ausbildung wieder in Wilhelmshöhe aufnehmen konnten. 1970 erwarb der CVJM-Gesamtverband zusätzlich das 13.500 qm große Grundstück in der Hugo-Preuß-Straße, sodass der steigenden Nachfrage an Schülern begegnet werden konnte. Zumal sich die Zahl der Schüler ab 1973 noch einmal erhöhte, als auch Frauen die Ausbildung zur CVJM-Sekretärin machen durften.
Der lange Weg der Akademisierung
Im Oktober 1997 wurde aus der CVJM-Sekretärsschule das „CVJM-Kolleg, Aus- und Fortbildungsinstitut für christliche Jugendarbeit und private Fachschule für Sozialpädagogik“. Jetzt hatten jungen Menschen die Möglichkeit, eine profilierte theologische Qualifikation am CVJM-Kolleg zu erwerben und an einer Fachhochschule Sozialpädagogik oder anderes zu studieren.
Weil sich immer mehr Auszubildende wünschten, nebenbei noch zu studieren oder ein Studium in Anschluss an die Ausbildung draufzusetzen, wurden im Rahmen des Bologna-Prozesses bereits um die Jahrtausendwende erste Weichen gestellt, die es seit 2009 ermöglichen, an der CVJM-Hochschule direkt zu studieren. Der lange Weg zu einer akademischen Qualifikation forderte von den Verantwortlichen des CVJM Deutschland viel Fokus, Aufmerksamkeit und viel Geduld. Eine echte Zäsur für das Kolleg, die sich nach und nach an der abnehmenden Zahl der Studierenden mit dem Ziel, Erzieher*in oder Jugendreferent*in zu werden, bemerkbar machte. Daran konnten auch die Verkürzung der Ausbildungszeit auf zwei Jahre für den Erzieher*innen-Bereich und ein Jahr theologische Ausbildung nichts ändern.
Mehr als nur Ausbildung
Dabei war das Kolleg viel mehr als eine reine Ausbildungsstätte für angehende CVJM-Sektretär*innen oder Erzieher*innen. Es war Partnerbörse, Talentschmiede, Lebensschule, Sprungbrett für vielfältige Karrierewege, Freundeskreis, Persönlichkeitsentwicklungscamp und vieles mehr. Viele wichtige und wegweisende Entscheidungen haben die jungen Menschen während ihrer Zeit am CVJM-Kolleg getroffen. Kamen in Kontakt mit Menschen, die sie ihr Leben lang weiter begleiteten. Lernten Gott und Glauben losgelöst vom Elternhaus kennen. Bekamen Wurzeln und Flügel.
Durch die internationalen Studierenden, die ihre Ausbildung am Kolleg machten, kam zudem ein interkulturelles Flair nach Kassel in die Hugo-Preuß-Straße. Das machte Kassel zugegebenermaßen noch nicht zur Weltmetropole, holte die Welt aber an den Campus. Gelebte Globalisierung. Geteilte Sorgen und Probleme. Geteilte Freuden, geteilter Friede.
Kein Ende, sondern ein Umzug
Da ist es nur folgerichtig, dass nicht nur die Studierenden mit Wurzeln und Flügeln ausgestattet und viel Gott und Welt im Herzen ausziehen, in ihre Berufung hinein, sondern dass auch das Kolleg die Flügel schwingt, die es im Laufe der vergangenen Jahre bekommen hat und weiterfliegt. Wie die Studierenden, die Jahr für Jahr im Sommer ihre Sachen aus den WGs in Kisten und dann in Autos gepackt haben, um irgendwo anders das anzuwenden und zu leben, was sie am Kolleg erlebt und gelernt hatten, steht nun auch für Ursel Luh-Maier das Kistenpacken an. Ihre Zeit als Direktorin der Kolleg-Ausbildung geht zu Ende. Nach fast 30 Jahren geht sie im Sommer in den wohlverdienten Ruhestand (zumindest teilweise) und übergibt die Kisten und die Verantwortung an die neuen Kolleg*innen auf dem Himmelsfels. Denn dort geht es weiter. An einem neuen Ort. Mit neuen Studierenden. Mit neuen Herausforderungen. Mit neuen Chancen. Mit neuen Dozierenden. Mit neuem Mut. Mit neuem Schwung. Mit einer großen Weite, mit ausgebreiteten Flügeln, aber auch mit Wurzeln in Kassel.
Die 2009 gegründete, staatlich und kirchlich anerkannte CVJM-Hochschule – YMCA University of Applied Sciences – führt in Präsenz- sowie in berufsbegleitenden und onlinebasierten Teilzeit-Studiengängen in den Bereichen Theologie und Soziale Arbeit zum Bachelor of Arts und Master of Arts. Außerdem bildet die CVJM-Hochschule Erzieher*innen und Jugendreferent*innen aus. Verschiedene Weiterbildungen ergänzen das Angebot. Die CVJM-Hochschule betreibt zusätzlich vier Forschungsinstitute (Institut für Erlebnispädagogik, Institut für Missionarische Jugendarbeit, Institut empirica für Jugendkultur und Religion sowie das Evangelische Bank Institut für Ethisches Management). Zum Wintersemester 2023/2024 sind 474 Studierende immatrikuliert. Rektor der CVJM-Hochschule ist Prof. Dr. Tobias Faix. Die Studierenden leben in einer Lern- und Lebensgemeinschaft auf dem bzw. in der Nähe des Campus.
Träger der CVJM-Hochschule ist der deutschlandweite Dachverband der Christlichen Vereine Junger Menschen (CVJM/YMCA), der CVJM Deutschland. Der CVJM/YMCA ist weltweit die größte überkonfessionelle christliche Jugendorganisation, die insgesamt 40 Millionen Menschen direkt erreicht, und weitere 25 Millionen Menschen indirekt. In Deutschland hat der CVJM 310.000 Mitglieder und regelmäßige Teilnehmende. Darüber hinaus erreicht er in seinen Programmen, Aktionen und Freizeiten jedes Jahr fast eine Million junge Menschen. Schwerpunkt des CVJM in Deutschland ist die örtliche Jugendarbeit in 1.400 Vereinen, Jugendwerken und Jugenddörfern.
Ehrenamtlicher Vorsitzender des CVJM Deutschland ist Präses Steffen Waldminghaus. Hauptamtlicher Leiter ist Generalsekretär Pfarrer Hansjörg Kopp.