Den Menschen eine Würde geben – so könnte die Erkenntnis lauten, die die Berufspraktikant*innen des 92. und 93. Kolleg-Jahrgangs auf der einwöchigen Exkursion nach Berlin gewonnen haben. In Begegnungen und Gesprächen mit Verantwortlichen verschiedener Gemeinden und sozialer Einrichtungen für Kinder und Jugendliche wurde deutlich, dass darin das gemeinsame Anliegen besteht bei aller Verschiedenartigkeit von Ansätzen, Konzepten und Arbeitsformen. Dabei ist es für viele Einrichtungen entscheidend, „mittendrin“ in ihrem „Kiez“ (=Stadtviertel) und damit nah dran an den Menschen und ihrer Lebenswelt zu sein.
Den Menschen eine Würde geben – das fängt schon bei den Kleinsten an, wie wir beim Besuch einer Integrationskita-der Lebenshilfe Berlin im Stadtteil Britz erfuhren. Ein Drittel der Kinder, die hier in der Tagesbetreuung sind, hat in irgendeiner Form eine Beeinträchtigung und damit einen Förderbedarf. Sie sind alle integriert in die Regelgruppen, so dass es für die Kinder ganz natürlich ist, dass Kinder mit und ohne Förderbedarf gemeinsam spielen, toben, kreativ sein und vieles mehr tun können.
Die „Selbstwertmanufaktur“ ist der Beiname der blu:boks im Stadtteil Fennpfuhl (Bezirk Lichtenberg). Mitten in einem Karree von Plattenbauhochhäusern finden Kinder aus Familien, die in prekären Verhältnissen leben, einen Ort, wo sie ihre Talente und Gaben entdecken und entfalten können. Hier erfuhren wir, dass Kinder, denen oft in der Familie und der Schule vermittelt wird, dass sie nichts können und nichts wert sind, sich schauspielerisch, musikalisch, tänzerisch usw. ausprobieren können und von Profis in ihrer künstlerischen Disziplin gefördert werden. Am Ende wird eine große Bühnenshow in einer bekannten Veranstaltungshalle aufgeführt. Für die Kinder eine enorme Steigerung ihres Selbstwertgefühls!
In einem ähnlichen Sozialraum befindet sich das Kinder- und Jugendhaus BOLLE des Vereins Straßenkinder e.V. im Marzahn. Die Kinder, viele von ihnen aus einem Haushalt mit einem alleinerziehenden Elternteil, erleben das offene Zentrum als ein zweites Zuhause. Sie bekommen nach der Schule ein Mittagessen, eine kostenlose Hausaufgabenbetreuung und Freizeitangebote. Bei Freizeiten und Camps in den Ferien kommen viele Kinder zum ersten Mal im Leben aus ihrem Kiez heraus. Ergänzend zur Straßensozialarbeit, mit der der Verein einst begonnen hat, wird hier Präventionsarbeit geleistet.
Noch ein junges „Baby“ ist der CVJM Neukölln, der 2021 mitten in der Corona-Pandemie gegründet wurde. Er nutzt die Räume einer örtlichen evangelischen Kirchengemeinde. Ein noch kleines Team von Christinnen und Christen möchte mittendrin präsent sein in diesem multireligiös geprägten Viertel und geht mit einem Café-Angebot im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße: Tische und Stühle werden auf den Bürgersteig vor der Kirche gestellt und Passanten zu Kaffee, Tee und Kuchen sowie zum Plaudern und Kennenlernen eingeladen. Eine TEN SING-Gruppe gibt es schon, und ein Band-Raum wird gerade eingerichtet. Wohnraum für junge Leute, die zum Studium nach Berlin ziehen, soll im kirchlichen Gebäudekomplex geschaffen werden. Ein kleiner, aber mutiger Anfang!
„Kirche in der Stadt“ möchte das Berlin-Projekt sein, ein Gemeindegründungsprojekt, das 2005 im Prenzlauer Berg begonnen wurde. Die Hauptzielgruppe sind hier berufstätige Menschen mit einem hohen Bildungsniveau und starkem Interesse an der bunten, vielfältigen großstädtischen Kultur. Die Gottesdienste finden in einem Kino und in einer Tanzschule statt, Die Gemeinde betreibt in ihren eigenen Räumen eine Kunstgalerie, wo es regelmäßig Kunstausstellungen gibt. Über Kunst will man ins Gespräch kommen über die Fragen nach Orientierung und Sinn im Leben.
Wir Kollegler*innen waren fasziniert von der Vision und Leidenschaft unserer Gesprächspartner*innen und nehmen wertvolle Impulse mit, wie man mittendrin sein und den Menschen eine Würde geben kann.
Andreas Getfert
Praxisdozent
Die 2009 gegründete, staatlich und kirchlich anerkannte CVJM-Hochschule – YMCA University of Applied Sciences – führt in Präsenz- sowie in berufsbegleitenden und onlinebasierten Teilzeit-Studiengängen in den Bereichen Theologie und Soziale Arbeit zum Bachelor of Arts und Master of Arts. Außerdem bildet die CVJM-Hochschule Erzieher*innen und Jugendreferent*innen aus. Verschiedene Weiterbildungen ergänzen das Angebot. Die CVJM-Hochschule betreibt zusätzlich vier Forschungsinstitute (Institut für Erlebnispädagogik, Institut für Missionarische Jugendarbeit, Institut empirica für Jugendkultur und Religion sowie das Evangelische Bank Institut für Ethisches Management). Zum Wintersemester 2023/2024 sind 474 Studierende immatrikuliert. Rektor der CVJM-Hochschule ist Prof. Dr. Tobias Faix. Die Studierenden leben in einer Lern- und Lebensgemeinschaft auf dem bzw. in der Nähe des Campus.
Träger der CVJM-Hochschule ist der deutschlandweite Dachverband der Christlichen Vereine Junger Menschen (CVJM/YMCA), der CVJM Deutschland. Der CVJM/YMCA ist weltweit die größte überkonfessionelle christliche Jugendorganisation, die insgesamt 40 Millionen Menschen direkt erreicht, und weitere 25 Millionen Menschen indirekt. In Deutschland hat der CVJM 310.000 Mitglieder und regelmäßige Teilnehmende. Darüber hinaus erreicht er in seinen Programmen, Aktionen und Freizeiten jedes Jahr fast eine Million junge Menschen. Schwerpunkt des CVJM in Deutschland ist die örtliche Jugendarbeit in 1.400 Vereinen, Jugendwerken und Jugenddörfern.
Ehrenamtlicher Vorsitzender des CVJM Deutschland ist Präses Steffen Waldminghaus. Hauptamtlicher Leiter ist Generalsekretär Pfarrer Hansjörg Kopp.