Während des Wintersemesters 2023/24 bereicherte Dr. Jared Neusch das Team der CVJM-Hochschule. Der amerikanische Neutestamentler hatte eine vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderte Gastdozentur inne und lehrte in den theologischen Bachelor- und Masterstudiengängen. Zum Abschluss seiner Zeit in Kassel resümiert er über seine Erfahrungen an der CVJM-Hochschule. Die Fragen stellte Sabrina Köhler, Mitarbeiterin im International Office.
Was war Ihr Anreiz, an einer Hochschule in Deutschland zu unterrichten?
Als jemand, der gerade seine Promotion abschließt, schien mir dies eine unglaubliche Gelegenheit zu sein, wertvolle Erfahrungen als Dozent zu sammeln und neue Kurse zu entwickeln. Außerdem ist es eine großartige Gelegenheit, einen Teil der Welt zu erkunden, den ich noch nie zuvor gesehen habe, und die deutsche Kultur kennenzulernen.
Mussten Sie etwas an Ihrem Lehrstil ändern und ihn an die deutschen Studierenden anpassen?
Das Wichtigste ist wahrscheinlich, dass ich versuche, das Englischniveau der Gruppe, mit der ich spreche, zu analysieren. Während meiner Vorlesungen versuche ich daher, das Vokabelniveau entsprechend anzupassen, damit die Studenten die größte Chance haben, dem Unterricht zu folgen.
Was ist Ihr derzeitiger Forschungsschwerpunkt und was hat Sie dazu inspiriert bzw. was fasziniert Sie daran?
Der Forschungsschwerpunkt meiner Doktorarbeit liegt im Bereich der Bibelwissenschaften, mit einem besonderen Fokus auf Galater 3-4. In diesem Zusammenhang untersuche ich die paulinische Hermeneutik, Fragen der Erkenntnistheorie und interessanterweise auch Theorien über die Zeit! Die Inspiration für das von mir gewählte Thema entsprang einer besonderen Leidenschaft für die Frage, wie Jesus unsere Lektüre des Alten Testaments verändert. In meiner Lektüre des Galaterbriefs untersuche ich daher, wie sich die Offenbarung Christi auf Paulus' Lesart der Heiligen Schrift ausgewirkt hat.
Welche Erkenntnisse haben Sie bereits gewonnen?
Es gibt viel, was ich hier sagen könnte, aber ich habe eine Menge darüber gelernt, wie Paulus Hermeneutik, seine Theologie, seine Argumentation und sogar seine Seelsorge von der Offenbarung Christi bestimmt werden. Jedes dieser Elemente ergibt erst im Lichte Christi den Sinn, den es hat. Und je mehr wir dies bei Paulus beobachten, desto mehr werden wir seine Briefe verstehen.
An der CVJM-Hochschule bieten Sie das Wahlmodul "Eine christliche Vision von Gewaltlosigkeit und Krieg" an. Welche Fragen stellen sich die Studierenden, wenn sie sich mit diesem Thema beschäftigen? Welche Spannungsfelder gibt es und wie können sie aufgelöst werden? Was möchten Sie den Studierenden mit auf den Weg geben?
Ich kann sicher nicht für alle Studierenden sprechen. Aber einige der Student*innen, mit denen ich in letzter Zeit gesprochen habe, haben wichtige Fragen gestellt wie:
- Wo ziehen wir die Grenze zwischen "Liebe deine Feinde" und dem Wissen, wann wir einen bestimmten Kriegseinsatz befürworten sollten?
- Wie können wir einige der verwirrenden und beunruhigenden Momente göttlicher Gewalt im Alten Testament (Josuas Eroberungen, die Flut usw.) am besten verstehen?
- Welche Konsequenzen ergeben sich aus unseren Antworten auf die obigen Fragen für die Gegenwart?
- Und schließlich: Wie lässt sich der scheinbar gewaltlose Jesus der Bergpredigt und der Kreuzigung mit anderen Jesusbildern (z. B. in der Offenbarung) in Einklang bringen?
Was die Weitergabe an die Studierenden betrifft, so denke ich, dass es für uns als Christinnen und Christen (Nachfolgerinnen und Nachfolger Christi!) wesentlich ist, dass wir über Krieg und Konflikte so nachdenken, wie Christus darüber gesprochen hat und wie er damit umgegangen ist. Wenn wir also unsere Ethik zu Fragen des Krieges und der Gewalt aufbauen, ist es wichtig, dass wir das Leben, den Tod und die Lehren Jesu studieren.
Welche Erfahrungen nehmen Sie aus Kassel und Ihrer Zeit an der CVJM-Hochschule mit? Woran warden Sie sich gern erinnern?
Ich werde mich an so vieles aus dieser Zeit und von diesem Ort gerne erinnern! Es ist fast unmöglich, das hier in so kurzer Zeit zu beantworten, aber ich werde ein paar Dinge herausgreifen. Zweifellos werde ich die Menschen hier am meisten vermissen. Es ist schon eine seltsame Erfahrung, so viele nette und gute Menschen kennen zu lernen und sie jede Woche zu sehen, und zu wissen, dass ich sie nur ein paar Monate lang sehen werde. Es gibt hier einige Freundschaften, die ich sehr vermissen werde! (Ich hoffe natürlich, dass die Leute, die in England durch meine Region fahren, mir auf ein Bier oder eine Tasse Kaffee oder Tee die Hand reichen).
Als jemand, der im heißen Texas aufgewachsen ist, habe ich die langen Schneefälle, die wir hier in Kassel in diesem Winter hatten, sehr genossen. Das ist ein Wetter, das ich fast nie erlebe, also habe ich in diesen Wochen viel Zeit draußen verbracht!
Abschließend möchte ich sagen, dass ich viel von den Vorlesungen profitiert habe, die ich mit den Studierenden verbracht habe, um Vorträge zu halten, Fragen zu beantworten und verschiedene Themen zu diskutieren. Es war für mich in vielerlei Hinsicht eine wertvolle Erfahrung. Ich bin dankbar für die Qualität der Studentinnen und Studenten, die der CVJM um sich versammelt hat, und für ihr Engagement für Bildung und die Nachfolge Jesu. Sie sind ein großes Vorbild für andere Universitäten auf der ganzen Welt.
Was möchten Sie der CVJM-Hochschule und den Studierenden der CVJM-Hochschule mitteilen oder mit auf den Weg geben?
Zunächst möchte ich mich bei den Mitarbeitenden und den Studierenden für ihre Freundlichkeit und Gastfreundschaft bedanken. Sie alle waren unglaublich gastfreundlich, freundlich und rücksichtsvoll. Ich habe durch Sie alle nur Freundlichkeit erfahren. Und ich war immer wieder beeindruckt von den Englischkenntnissen aller!
Zum Schluss noch eine Ermahnung an die Studierenden: Ich erinnere mich an eines der Hauptthemen in den Briefen des Paulus. Ob er nun über geistliche Gaben spricht oder darüber, ob wir bestimmte Fleischsorten essen sollten, Paulus erinnert sie daran: “Wissen bläht auf, Liebe aber baut auf" (1. Korinther 8,1). Wir werden in unserer Ausbildung eine Menge erstaunlicher Dinge lernen. Aber es geht nicht darum, wie viel wir wissen, sondern darum, was wir mit diesem Wissen tun. Am Ende seines Briefes an die Korinther sagt Paulus: "Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen" (1. Korinther 16:14).
English Text:
What was your incentive to teach at a university in Germany?
As someone who was finishing up their PhD, this seemed like an incredible opportunity to gain some valuable lecturing experience and the opportunity to build new courses. It is also a great chance to explore a part of the world I have never experienced before and learn about German culture.
Did you find that you had to change anything about your teaching style and adapt it to German students?
Probably the most important piece has been trying to analyze the English level of the group I am speaking to. And so during my lectures I try and adjust the vocabulary level accordingly so that the students have the greatest chance of following along.
What is your current research focus and what inspired you or what fascinates you about it?
The research of my PhD has been in biblical studies, with a specific focus on Galatians 3-4. Within this, I explore Pauline hermeneutics, matters of epistemology, and interestingly, theories of time! The inspiration behind the topic I chose came from a particular passion to explore the question of how Jesus changes our reading of the Old Testament. Therefore, in my reading of Galatians, I am exploring how the revelation of Christ has impacted Paul’s reading of the Scriptures.
What insights have you already gained?
There is much I could say here, but I have learned quite a bit about how Paul’s hermeneutics, his theology, his argumentation, and even his pastoral care are all governed by the revelation of Christ. Each of these pieces make the sense they make in light of Christ. And the more we observe this in Paul, the more we will gain understanding from his letters.
At the YMCA University you offer the elective module "A Christian vision of non-violence and war". What questions do students ask themselves when dealing with this topic? What areas of tension are there and how can they be resolved? What would you like to pass on to the students?
I certainly can’t speak for all of the students. But some of the students I have spoken to recently have been asking important questions like:
- Where do we draw the line on “loving your enemies” and knowing when to endorse a particular war effort?
- How do we best make sense of some of the more confusing and troubling moments of divine violence in the Old Testament (Joshua’s conquests, the flood, etc.)?
- Based on our answers to the above question, what are the contemporary implications?
- Finally, how do we reconcile the seemingly nonviolent Jesus of the sermon on the mount and the crucifixion with other images of Jesus (e.g. the book of Revelation)?
In terms of what to pass on to the students, I think as Christ-ians (followers of Christ!), it is essential that we think about war and conflict in the way we see Christ speak about it and approach it. So, as we build our ethic on questions of war and violence it is essential that we study the life, death, and teachings of Jesus.
What experiences do you take with you from Kassel and your time at the YMCA University? What will you remember fondly?
I will remember so much of this time and place fondly! This is nearly impossible to answer here in such a short space, but I will pick out a couple of things. Without a doubt, I will miss the people here the most. It is such an odd experience to meet so many kind and quality people, and to see them each week, and to know that I will only see them for a few months. There are some friendships here that I will dearly miss! (I certainly hope that if people are passing through my region in England they will reach out for a pint of beer, or cup of coffee or tea!)
As someone who grew up in the hot state of Texas, I thoroughly enjoyed the long stretch of snow we had here in Kassel this winter. That is weather I almost never get to experience, so I spent lots of time outside those weeks!
Lastly, I’ll say that I gained much from the hours of time I spent with the students lecturing, answering questions, and discussing various topics. It has been such a valuable experience for me on a number of levels. I am thankful for the quality of students the YMCA has gathered, and their commitment to both education and following Jesus. They are a great example to other universities around the world.
What would you like to share with or give to the YMCA University and the students of the YMCA University?
First, I would like to extend a big “thank you” to the staff and the students for being so kind and welcoming. You all have been incredibly hospitable, kind, and thoughtful. I have experienced only kindness through all of you. And I have been continually impressed by everyone’s English competency!
Finally, as an exhortation to the students: I am reminded of one of the major themes throughout Paul’s letters. Whether he is speaking about spiritual gifts, or if we should eat certain kinds of meat, Paul reminds them, “Knowledge puffs up, but love builds up.” (1 Cor. 8:1). We will learn a lot of amazing things in our education. But it’s not about how much we know, it’s about what we do with that knowledge. Finishing his letter to the Corinthians, he says: “Let all that you do be done in love.” (1 Cor. 16:14)
Die 2009 gegründete, staatlich und kirchlich anerkannte CVJM-Hochschule – YMCA University of Applied Sciences – führt in Präsenz- sowie in berufsbegleitenden und onlinebasierten Teilzeit-Studiengängen in den Bereichen Theologie und Soziale Arbeit zum Bachelor of Arts und Master of Arts. Außerdem bildet die CVJM-Hochschule Erzieher*innen und Jugendreferent*innen aus. Verschiedene Weiterbildungen ergänzen das Angebot. Die CVJM-Hochschule betreibt zusätzlich vier Forschungsinstitute (Institut für Erlebnispädagogik, Institut für Missionarische Jugendarbeit, Institut empirica für Jugendkultur und Religion sowie das Evangelische Bank Institut für Ethisches Management). Zum Wintersemester 2023/2024 sind 474 Studierende immatrikuliert. Rektor der CVJM-Hochschule ist Prof. Dr. Tobias Faix. Die Studierenden leben in einer Lern- und Lebensgemeinschaft auf dem bzw. in der Nähe des Campus.
Träger der CVJM-Hochschule ist der deutschlandweite Dachverband der Christlichen Vereine Junger Menschen (CVJM/YMCA), der CVJM Deutschland. Der CVJM/YMCA ist weltweit die größte überkonfessionelle christliche Jugendorganisation, die insgesamt 40 Millionen Menschen direkt erreicht, und weitere 25 Millionen Menschen indirekt. In Deutschland hat der CVJM 310.000 Mitglieder und regelmäßige Teilnehmende. Darüber hinaus erreicht er in seinen Programmen, Aktionen und Freizeiten jedes Jahr fast eine Million junge Menschen. Schwerpunkt des CVJM in Deutschland ist die örtliche Jugendarbeit in 1.400 Vereinen, Jugendwerken und Jugenddörfern.
Ehrenamtlicher Vorsitzender des CVJM Deutschland ist Präses Steffen Waldminghaus. Hauptamtlicher Leiter ist Generalsekretär Pfarrer Hansjörg Kopp.