Neue Aufbrüche, grün-schimmernde Hoffnung – gerade im Frühling rückt das Thema der Aufbrüche, der Neuerungen, verstärkt in den Vordergrund. So auch in Kirche. So sät sie doch seit einigen Jahren zarte „Erprobungsräume-Pflänzchen“ aus, gießt zuweilen und blickt nun gespannt auf das, was zu sprießen und zu knospen begonnen hat. Forscher*innen der CVJM-Hochschule und der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) haben sich diese zarten, jungen Erprobungsraum-Pflanzen der EKiR genauer angesehen und begleitet. Herausgekommen ist der Forschungsbericht „Was, wenn es funktioniert? Die Erprobungsräume in der Evangelischen Kirche im Rheinland“ als Handreichung für Kirchenleitende und deren Pläne zur Kirchenentwicklung.
Die Erprobungsräume, die deutschlandweit in den Landeskirchen (teils unter anderen Namen) gestartet wurden, sollen dazu beitragen, Antworten auf die aktuellen Fragen und Lösungen für kirchlichen Herausforderungen zu finden. Sie sollen das schaffen, was Kirche schon lange nicht mehr bewerkstelligen konnte: Sich auf den Weg machen, neue Räume finden, in denen sich neues gemeindliches Leben entwickeln kann – gemeinsam mit Menschen, die bisher wenig positive Erfahrung mit Kirche gemacht haben und angepasst auf ihre jeweilige Lebenswelt (sei es der Sozialraum, eine Zielgruppe, eine Lebenslage oder auch allgemein der digitale Raum).
Viel Spannendes, Innovatives, Neues ist daraus erwachsen. Doch inwiefern ist das Kirche? Darf das Kirche sein? Welchen Platz und welchen Raum geben Kirchen den Erprobungsräumen? Was machen sie mit den Projekten, die funktionieren?
Begleitforschung zur Erprobung
Von Anfang 2021 bis Ende 2023 erforschte ein Team von Wissenschaftler*innen der CVJM-Hochschule und der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe die Erprobungsräume der Evangelischen Kirche im Rheinland. Dabei waren für das Forschungsteam drei Fragen ausschlaggebend:
• Wie ereignet sich Kirche im Kontext der Erprobungsräume?
• Wie gelingen Prozesse der Erneuerung?
• Wie entstehen Ökosysteme der Zusammenarbeit, in denen Traditions- und Innovationsräume produktiv für einander werden können?
Die Begleitforschung zeigte, dass die „Erprobungsräume […] erfolgreich an der Umsetzung ihrer selbstgesteckten Ziele [wirken] und […] dabei als eine alternative bzw. komplementäre Möglichkeit erlebbar [werden], spirituelle Erfahrungen zu machen.“
Zudem seien die Erprobungsräume insgesamt als spirituell ambitioniert anzusehen und übernehmen für die Teilnehmenden häufig die Funktion einer Gemeinde, während sich die Erprobungsräume meist selbst als Teil der Evangelischen Kirche im Rheinland sehen – und nicht als eine eigene Kirche oder Gemeinde. Dies zeigt sich auch in dem Wechselspiel zwischen verfasster Kirche und den neuen Ausdrucksformen von Kirche. In dem Forschungsbericht heißt es: „Erprobungsräume erhalten Rückenwind durch Wertschätzung und jedwede Unterstützung ihrer Wertschöpfung. Umgekehrt gilt aber auch: Mangelnde Wertschätzung (z. B. weil sich Erprobungsräume kontinuierlich zu legitimieren haben) und mangelnde Ressourcen können die Wertschöpfung der Erprobungsräume bremsen.“ Es liegt, so die Wissenschaftler*innen, an der Kirche, ein Umfeld zu schaffen, dass es ermöglicht, dass die Erprobungsräume und das, was daraus entsteht, sich verstetigen kann und zu einem gleichberechtigten, gleichwertigen, Teil von Kirche wird. Das anglikanische Vorbild der Mixed Ecology wird in dem Bericht als Möglichkeit der Ausgestaltung genannt und skizziert.
Hoffnungsvoller Blick auf die Kirchenentwicklung
„Wenn wir als Forschungsteam anhand der erhobenen Daten auf die Erprobungsräume blicken, dann sehen wir eine immense Leidenschaft für die Kirche der nächsten Gesellschaft“, fassen die beiden verantwortlichen Forscher Prof. Dr. Stefan Jung und Prof. Dr. Roland Schöttler den Blick auf die Ergebnisse zusammen. „Wir sehen den Mut zur Abweichung von bestehenden Formalstrukturen. Wir sehen Experimentierfreude, die konkrete und messbare Erfolge bringt. Wir sehen das Engagement, fokussiert und selektiv und damit sehr strategisch zu sein. Und wir sehen, wie es gelingt, neue Orte der Hoffnung zu schaffen.“
Download des Forschungsberichts
Die in dem Bericht vorgestellten Ergebnisse basieren auf einer dreijährigen Begleitforschung der Erprobungsräume der Evangelischen Kirche im Rheinland, die Wissenschaftler*innen der CVJM-Hochschule und der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe von Anfang 2021 bis Ende 2023 durchgeführt haben. Es wurde ein Mix aus qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden angewandt.
Der herausragend locker und schön gestaltete Forschungsbericht „Was, wenn es funktioniert? Erprobungsräume in der Evangelischen Kirche im Rheinland“ kann als PDF heruntergeladen werden.
Die 2009 gegründete, staatlich und kirchlich anerkannte CVJM-Hochschule – YMCA University of Applied Sciences – führt in Präsenz- sowie in berufsbegleitenden und onlinebasierten Teilzeit-Studiengängen in den Bereichen Theologie und Soziale Arbeit zum Bachelor of Arts und Master of Arts. Außerdem bildet die CVJM-Hochschule Erzieher*innen und Jugendreferent*innen aus. Verschiedene Weiterbildungen ergänzen das Angebot. Die CVJM-Hochschule betreibt zusätzlich vier Forschungsinstitute (Institut für Erlebnispädagogik, Institut für Missionarische Jugendarbeit, Institut empirica für Jugendkultur und Religion sowie das Evangelische Bank Institut für Ethisches Management). Zum Wintersemester 2023/2024 sind 474 Studierende immatrikuliert. Rektor der CVJM-Hochschule ist Prof. Dr. Tobias Faix. Die Studierenden leben in einer Lern- und Lebensgemeinschaft auf dem bzw. in der Nähe des Campus.
Träger der CVJM-Hochschule ist der deutschlandweite Dachverband der Christlichen Vereine Junger Menschen (CVJM/YMCA), der CVJM Deutschland. Der CVJM/YMCA ist weltweit die größte überkonfessionelle christliche Jugendorganisation, die insgesamt 40 Millionen Menschen direkt erreicht, und weitere 25 Millionen Menschen indirekt. In Deutschland hat der CVJM 310.000 Mitglieder und regelmäßige Teilnehmende. Darüber hinaus erreicht er in seinen Programmen, Aktionen und Freizeiten jedes Jahr fast eine Million junge Menschen. Schwerpunkt des CVJM in Deutschland ist die örtliche Jugendarbeit in 1.400 Vereinen, Jugendwerken und Jugenddörfern.
Ehrenamtlicher Vorsitzender des CVJM Deutschland ist Präses Steffen Waldminghaus. Hauptamtlicher Leiter ist Generalsekretär Pfarrer Hansjörg Kopp.