Sie waren außerdem Teilnehmende im Projekt "Jugendhilfe integriert", über das innerhalb der Projektlaufzeit insgesamt 17 Studierende mit Migrationshintergrund während ihrer Ausbildung an der CVJM-Hochschule gefördert werden konnten. Anthea Roth, Dozentin in der Kollegausbildung und zuständig für das Projekt Jugendhilfe integriert, hat bei Mariam und Anahit nachgefragt, wie die letzten beiden Jahre für sie waren.
Mariam und Anahit, stellt euch doch kurz vor!
Anahit: Ich komme aus Armenien, bin nun seit 13 Jahren in Deutschland und habe zwei Kinder, die zwölf und sechs Jahre alt sind.
Mariam: Ich komme auch aus Armenien, bin 41 Jahre alt, und bin seit acht Jahren in Deutschland. Meine beiden Kinder sind 14 und 15 Jahre alt. In Armenien war ich Grundschullehrerin.
Wie seid ihr auf die CVJM-Hochschule aufmerksam geworden?
Anahit: Ich würde sagen, das war Zufall. Ich habe an der Uni Kassel Lehramt studiert, habe aber gemerkt, dass das mit Familie sehr herausfordernd ist und ich das nicht schaffe. In Armenien war ich auch schon Lehrerin, das wurde hier in Deutschland aber nicht anerkannt. Ich wollte gerne weiterhin im pädagogischen Bereich arbeiten, deswegen habe ich mir überlegt, eine Ausbildung zur Erzieherin zu machen. Die CVJM-Hochschule habe ich über eine Internetrecherche gefunden.
Mariam: Ich habe beim Jobcenter einen Flyer von der CVJM-Hochschule bekommen, dachte aber zuerst, dass das mit den Studiengebühren schwierig wird. Etwas später habe ich die CVJM-Hochschule dann auch nochmal über google gefunden und mich einfach dort gemeldet.
Warum habt ihr euch für die Ausbildung an der CVJM-Hochschule entschieden?
Mariam: Wenn ich ehrlich bin, war es mir im ersten Moment egal, wo ich die Ausbildung machen kann – ich wollte einfach damit anfangen! Ich war relativ kurzfristig dran, da war ich dann sehr glücklich, als du, Anthea, mir am Telefon gesagt hast, dass es noch möglich ist, mich zu bewerben.
Anahit: Mich hat von Anfang an begeistert, dass es eine christliche Schule ist. Aber die praktischen Gründe haben natürlich auch eine Rolle gespielt: Es gab noch Platz und die Ausbildung war Vollzeit, das war mir wichtig.
Was gefällt euch besonders gut bzw. hat euch in den vergangenen zwei Jahren besonders gut gefallen?
Anahit: Ich habe mit Unterbrechungen fast vier Jahre an der Uni studiert und wenn ich das vergleiche mit der CVJM-Hochschule, dann ist das ein sehr großer Unterschied! Am Kolleg sind wir fast wie Familie, das kann ich gar nicht mit Worten beschreiben. Das Miteinander ist einfach toll!
Mariam: Ja, das erlebe ich auch so! Alle denken an alle, fast wie in einer Familie. Und die Dozierenden helfen uns auch.
Anahit: Außerdem mag ich die Andachten und Gottesdienste und die christlichen Werte, die eine große Rolle spielen. Ich kann nicht immer an allem teilnehmen, aber es gefällt mir sehr gut.
Wie habt ihr es geschafft, Familie und Ausbildung unter einen Hut zu bringen?
Anahit: Frag das nicht! Das war echt schwierig! Und jetzt, mit den Vorbereitungen auf das pädagogische Examen ist es noch schwieriger geworden. Es ist wirklich nicht leicht, mich auf das Lernen zu konzentrieren, während meine Familie natürlich auch Erwartungen an mich hat. Bei Praktika musste ich immer auch auf die Arbeitszeiten achten und darauf, wie das mit der Kinderbetreuung gehen kann.
Mariam: Ich habe schon damit gerechnet, dass es anstrengend wird, aber dass die Belastung so groß ist, hätte ich nicht gedacht. Bei uns in der Familie hängt eigentlich alles an uns Müttern, unsere Männer arbeiten ja auch und sind beruflich viel außer Haus. Aber irgendwie ging es dann doch. Die anderen haben uns ermutigt und wenn ich von anderen gehört habe, die eine Ausbildung gemacht haben, als sie schon ein Kind hatten, dann denke ich: Dann schaffe ich das auch!
Neben der Familie waren auch die Sprache und mein Alter eine Herausforderung. Ich lerne einfach langsamer als früher und vergesse mehr… Ich bin auf viel Verständnis gestoßen, auch bei den Dozierenden und das war sehr hilfreich für mich.
Anahit: Ja, und es war auch nicht immer so leicht für uns, dass wir nicht an allem teilnehmen konnten. Bei manchen mehrtägigen Exkursionen zum Beispiel konnten wir nicht mitfahren…
Gibt es ein Highlight der letzten beiden Jahre?
Mariam: Meine Teilnahme an der Weiterbildung „Intercultural Coach“ am Himmelsfels! Als Person mit Migrationshintergrund hatte ich vieles erlebt in Deutschland, wusste aber oft nicht, warum mir das passiert. Das, was ich beim Intercultural Coach gelernt habe, hat mir geholfen, vieles zu verstehen.
Anahit: Für mich waren die theologischen Fächer ein Highlight! Kurz gesagt habe ich gelernt, wie ich die Bibel besser verstehen kann. Ich habe früher viel in der Bibel gelesen und nichts verstanden – jetzt verstehe ich so viel mehr! Und das versuche ich auch meinen Kindern beizubringen.
Außerdem waren die gemeinschaftlichen Aktionen, wie zum Beispiel das Kolleg-Frühstück, immer auch ein Highlight für mich.
Ihr kommt beide aus der armenischen apostolischen Kirche. Wie habt ihr das geistliche Leben hier am Campus erlebt?
Anahit: Das war etwas ganz Besonderes! Wir sind zwar Christinnen, aber wir haben unseren Glauben bisher nicht so ausgelebt – wir wurden einfach nicht so geprägt. Es klingt vielleicht komisch, denn: Wie kann ein christliches Volk nicht christlich geprägt sein?
Wie war denn dann z.B. die erste Andacht hier am Campus für euch?
Anahit: Das war eine Katastrophe! (lacht) Wir wussten nicht, was das ist und was man da macht! Wir kannten nicht einmal das Wort „Andacht“.
Mariam: Ja, wir haben erst einmal nach einer Übersetzung gegoogelt! Inzwischen verstehen wir, was das ist und haben es sehr zu schätzen gelernt!
Wie geht es für euch beruflich weiter?
Mariam: Ich mache mein Anerkennungsjahr in einem Kindergarten in Wolfhagen.
Anahit: … und ich in Lohfelden. Ich muss sagen, nach zwei Jahren wird es ganz ungewohnt sein, nicht mehr an den Campus zu kommen!
Mariam: Jetzt ist die Zeit hier fast vorbei und ich bin auch ein bisschen traurig. Wir sind hier nicht nur Erzieherinnen geworden! Wir haben so viel Wissen dazubekommen!
Vielen Dank für das Gespräch! Schön, dass ihr den 94. Jahrgang bereichert habt! Wir wünschen euch für eure Zukunft alles Gute!
Die 2009 gegründete, staatlich und kirchlich anerkannte CVJM-Hochschule – YMCA University of Applied Sciences – führt in Präsenz- sowie in berufsbegleitenden und onlinebasierten Teilzeit-Studiengängen in den Bereichen Theologie und Soziale Arbeit zum Bachelor of Arts und Master of Arts. Außerdem bildet die CVJM-Hochschule Erzieher*innen und Jugendreferent*innen aus. Verschiedene Weiterbildungen ergänzen das Angebot. Die CVJM-Hochschule betreibt zusätzlich vier Forschungsinstitute (Institut für Erlebnispädagogik, Institut für Missionarische Jugendarbeit, Institut empirica für Jugendkultur und Religion sowie das Evangelische Bank Institut für Ethisches Management). Zum Wintersemester 2023/2024 sind 474 Studierende immatrikuliert. Rektor der CVJM-Hochschule ist Prof. Dr. Tobias Faix. Die Studierenden leben in einer Lern- und Lebensgemeinschaft auf dem bzw. in der Nähe des Campus.
Träger der CVJM-Hochschule ist der deutschlandweite Dachverband der Christlichen Vereine Junger Menschen (CVJM/YMCA), der CVJM Deutschland. Der CVJM/YMCA ist weltweit die größte überkonfessionelle christliche Jugendorganisation, die insgesamt 40 Millionen Menschen direkt erreicht, und weitere 25 Millionen Menschen indirekt. In Deutschland hat der CVJM 310.000 Mitglieder und regelmäßige Teilnehmende. Darüber hinaus erreicht er in seinen Programmen, Aktionen und Freizeiten jedes Jahr fast eine Million junge Menschen. Schwerpunkt des CVJM in Deutschland ist die örtliche Jugendarbeit in 1.400 Vereinen, Jugendwerken und Jugenddörfern.
Ehrenamtlicher Vorsitzender des CVJM Deutschland ist Präses Steffen Waldminghaus. Hauptamtlicher Leiter ist Generalsekretär Pfarrer Hansjörg Kopp.